Lese- / Rechtschreibschwäche in Deutsch
Was ist LRS?
Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) auch Legasthenie oder nach angelsächsischem Sprachgebrauch Dyslexie genannt, wird heute in allen modernen Bildungsgesellschaften als Lernstörung verzeichnet.
Im Wesentlichen geht es um die Abgrenzung zwischen Störung und Schwäche (Schulte-Körne, Eichler). So vertreten einige Wissenschaftler die Ansicht, dass Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten durch ein geeignetes Lernumfeld, individuelle Betreuung und sorgfältige Unterrichtung in der Schule, d.h. durch Förderunterricht oft noch beseitigt werden können, während Lese-Rechtschreib-Störungen (Legasthenie) als schwere Teilleistungsschwäche und Lernproblematik diagnostisch aufgespürt und fachkundig therapiert werden müssen.
Die WHO hat sie als krankhafte Störung in ihre offizielle Liste (ICD) der gesundheitlichen Beeinträchtigungen (ICD-10 F. 81.0) aufgenommen, die Krankheitswert besitzen. LRS wird inzwischen weltweit als spezielles Versagen beim Erlernen des Lesens und der Rechtschreibung verstanden, das nicht auf ein generelles Leistungsdefizit zurückgeführt werden kann. Die Ursachen dieser Teilleistungsstörung sind nicht geklärt. Es besteht aber Konsens darüber, dass sie sich keinesfalls im Laufe der Jahre ‚auswächst’ oder durch gewöhnliches Üben zu beheben ist. Es bedarf vielmehr einer speziellen Therapie.
Ursachen für LRS
Unter Förderaspekten können die Ursachen, die zu Lese-Rechtschreibschwierigkeiten führen können, nicht im Vordergrund stehen. Die Ursachen wären nur relevant, wenn von ihnen gezielte Fördermaßnahmen abgeleitet werden könnten. Solche Fördermaßnahmen sind jedoch nicht hinreichend bekannt.
Auch wenn die Ursachen für uns Pädagogen selten interessant zu sein scheinen, möchten wir wegen der bestehenden wissenschaftlichen Relevanz dennoch darauf angemessen eingehen.
Für Menschen, die lesen und schreiben können und nie Schwierigkeiten damit hatten, ist es kaum nachvollziehbar, dass es im Erwerb der Schriftsprache zu Schwierigkeiten kommen kann. Dabei ist dieser Erwerb eine große Kraftanstrengung und bedarf einiger Grundvoraussetzungen. Eine phonologische Bewusstheit, eine ausreichende Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses, eine ausreichende Geschwindigkeit beim Abruf von Informationen aus dem Langzeitgedächtnis und eine ausreichendende visuelle Aufmerksamkeit sind die wichtigsten Voraussetzungen die ein Kind benötigt, um Lesen und Schreiben zu lernen. Dies sind hohe Voraussetzungen für einen Lernprozess, der störanfällig sein kann. Auf jeden Fall ist er aufgrund seiner Komplexität eine vollkommen unterschätzte Lernleistung der jungen Kinder.
So kann der Schriftspracherwerb eines Kindes aufgrund vielfältiger Einflussgrößen negativ beeinflusst sein. Zudem reagieren Kinder auf Störungen unterschiedlich und in ihrem Schwächebereich besonders empfindlich.
Mögliche Ursachen für LRS können sein:
- Beeinträchtigungen der lautsprachlichen Informationsverarbeitung
- Beeinträchtigungen der visuellen Informationsverarbeitung
- Störungen von Basisfunktionen die für das Lesen und Schreiben essentiell sind (z.B. Arbeitsgedächtnis)
- Verzögerte Verarbeitung von neuronalen Informationen
- Sprachentwicklungsbeeinträchtigung/-verzögerung
- Eingeschränkte Aufmerksamkeits-und Konzentrationsfähigkeit
- Genetische Einflüsse
- Soziale Einflüsse (z.B. Umfeld, Unterricht)
Diagnose von LRS
Die Lese-Rechtschreibschwäche ist eine Lernstörung. Ihre Diagnose erfordert eine systematische und lautanalytische Fehleranalyse mit standardisierten und qualitativen Testverfahren die den persönlichen Lernstand des Kinds ermittelt.
Unsere Diagnose umfasst:
- einen standardisierten Lesetest,
- einen standardisierten Rechtschreibtest
- eine qualitative Fehleranalyse anhand eines frei geschriebenen Textes
Diese Analyse beruht auf den Erkenntnissen der Sprachwissenschaft. Sie ermöglicht erstaunliche Einsichten über die Art und den Hintergrund der Fehlschreibungen eines Kindes.
Wir versuchen eine Atmosphäre zu schaffen, in denen ihr Kind seine tatsächlich vorhandenen Fähigkeiten abrufen kann, entspannt und ohne Zeitdruck.
Wenn ihr Kind bereits einen ärztlichen Befund hat, ersparen wir ihm die standardisierten Lese- und Rechtschreibtest ein weiteres Mal zu machen.
Leider geben die ärztlichen Befunde selten konkrete Hinweise auf die nötige pädagogische und inhaltliche Förderung, deshalb ersetzen sie nicht eine individuelle qualitative Fehleranalyse, die wir dann noch durchführen.
Dem Testverfahren schließt sich eine ausführliche Beratung an und ist Basis des Förderplans der wiederum die Grundlage der Zusammenarbeit bildet.
Isolierte Rechtschreibschwäche
Ihr Kind ist ein guter Leser, hat aber große Schwierigkeiten in der Rechtschreibung?
Laut WHO liegt eine isolierte Rechtschreibstörung (ICD-10 F81.1) vor, wenn umschriebene und eindeutige Beeinträchtigungen in der Entwicklung der Rechtschreibfertigkeiten vorliegen, ohne dass eine Vorgeschichte in der Entwicklung der Lesefertigkeiten besteht.
Warum machen wir Fehler?
Rechtschreibfehler machen wir alle, und niemand hat ohne Fehler schreiben gelernt. Kinder mit Rechtschreibschwierigkeiten machen keine besonderen Fehler, aber leider deutlich mehr als ihre Altersgenossen.
Rechtschreibung muss gelernt werden, und zwar durch üben und schreiben der festgelegten Schreibweisen. Allerdings folgen die Regeln der deutschen Schriftsprache nicht einem Zufallsprinzip, auch wenn viele Schüler dies so empfinden, sondern nachvollziehbaren Prinzipien.
Diese Prinzipien beziehen sich auf verschiedene Elemente der Schriftsprache, und zwar Laute (Phone), Wortbausteine (Morpheme), Grammatik und Syntax (Satzbau), Wortbedeutung (Semantik) und Wortherkunft.
Kinder durchlaufen in ihrem Schriftspracherwerb verschiedene Stufen. Im Schulunterricht werden diese Stufen berücksichtigt und die Regeln der Rechtschreibung für Kinder ohne Lernschwierigkeiten angemessen vermittelt. Kinder ohne LRS entwickeln intuitiv ein eigenes Regelwerk, ein „Gespür“ für richtige Schreibweisen. Sie machen weniger Regelfehler, deutlich weniger Speicherfehler, ihre Wahrnehmungstrennschärfe ist ausreichend entwickelt und die Wortdurchgliederung funktioniert automatisiert. Gute Rechtschreiber wissen meistens nicht, warum sie ein Wort so und nicht anders geschrieben haben. Ihr Gehirn hat sich selbst und weitgehend unabhängig von bestimmten Strategien „innere Regeln“ gebildet.
Kinder mit einem Begabungsmangel in diesem Bereich sind darauf angewiesen, dass sie im Förderunterricht Regeln und Strategien mitgegeben bekommen. Falsche Hilfestellungen hingegen können LRS Kinder geradezu verwirren.
Bei einer LRS reicht der Schulunterricht oder eine gewöhnliche Nachhilfe nicht aus, um Regeln und Prinzipien so zu vermitteln, dass das Kind sie verstehen und dauerhaft automatisiert anwenden kann.
Die individuellen Falschschreibungen des Kindes lassen erkennen, auf welchem Stand es sich befindet. Genau da muss die Förderung ansetzen.
Förderung bei Rechtschreibschwierigkeiten
Wir unterstützen Kinder dabei Einsichten zu erwerben und Regelmäßigkeiten in der deutschen Sprache zu entdecken. Durch das Erkennen von Regelmäßigkeiten und Prinzipien der deutschen Sprache gewinnen die Kinder Sicherheit und Selbstvertrauen in die bereits vorhandenen Fähigkeiten. Wir orientieren uns am Schriftspracherwerb der Kinder und spüren entstandene Lücken auf. Wir bearbeiten Laut-Kombinationen, Durchgliederung von Worten und die Unterschiede gleichklingender Laute und überprüfen dabei, ob die Grundlagen der alphabetischen Strategien angelegt sind. Erst wenn diese Phase erfolgreich abgeschlossen ist, beginnen wir mit Strukturwissen bzw. orthografischem Wissen wie Umlautung, Dehnungszeichen, Schärfung und Auslautverhärtung. Im nächsten Schritt vertiefen wir die morphematischen Struktur der Deutschen Sprache wie Wortarten, Wortstämmen und Wortbildungen.
Die Grundsätze guter Förderung sind dabei vom Einfachen zum Schweren, vom Bekannten zum Unbekannten, vom Regelmäßigen zum Unregelmäßigen. Nur so können Verunsicherungen überwunden und Verwirrungen aufgelöst werden.
Dabei arbeiten wir auf Basis der aktuellen linguistischen Erkenntnisse und deshalb im Schwerpunkt mit Förderkonzepten, die ihre Erfolge durch Studien und in der Praxis bewiesen haben.
Kein einzelnes Training wird isoliert durchgeführt, sondern einzelne Teile von komplexen Fördertrainings werden themenbezogen auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmt.
Hat das Kind die grundlegenden Prinzipien erkannt und eine der angebotenen Strategien für sich angenommen, arbeiten wir im Schwerpunkt an eigenen frei geschriebenen Texten des Kindes. Hierbei steht der eigene Wortschatz des Kindes im Vordergrund und die gelernten Strategien werden individuell wiederholt. Mithilfe eines Karteikastens kann das Kind sich einen persönlichen Merkwortschatz anlegen und bearbeiten. Das Training am persönlichen Merkwortschatz begleitet zuhause den Förderunterricht.
Leseschwierigkeiten
Leseschwierigkeiten sind das Hauptmerkmal einer LRS. Wenn ihr Kind am Ende der ersten Klasse Schwierigkeiten hat, einfache Wörter und Sätze zu lesen, sollten Sie umgehend handeln.
Auch der Leseerwerb geschieht in Stufen die an unterschiedlichen Stellen empfindlich gestört sein können. Noch viel stärker als in der Rechtschreibung bauen diese Stufen aufeinander auf, sodass bei Stolpersteinen die nächste Stufe nicht erreicht wird.
Kinder mit mangelnder phonologischer Bewusstheit oder Schwächen in der visuell-räumlichen Wahrnehmung haben Schwierigkeiten Laute und Buchstaben miteinander in Verbindung zu bringen und sind somit gehindert Wörter vollständig zu synthetisieren (zusammenschleifen).
Auf der nächsten Stufe müssen Kinder in der Lage sein Buchstabengruppen, Sprechsilbenund Signalgruppen zu erfassen und einen Sichtwortschatz abzurufen. Hier benötigt ein junger Schüler eine hohe Wahrnehmungs- und Gedächtnisleistung. Auch unser Lesetraining beginnt genau dort wo ihr Kind steht.
Hinweise auf LRS
- Ihr Kind hat Schwierigkeiten Reime zu erkennen oder zu bilden.
- Ihrem Kind gelingt die Silbenzerlegung nur mühsam.
- Ihr Kind liest buchstabierend und stockend.
- Ihr Kind liest und schreibt optisch ähnliche Zeichen falsch (b/d, p/q, m/w/v).
- Ihr Kind lässt Buchstaben am Wortanfang, am Wortende oder im Wortinneren aus.
- Ihr Kind kann Längen und Kürzen von Selbstlauten nicht erkennen (statt „Sonne“ – „Sone“).
- Ihr Kind verwechselt ähnlich klingende Laute und Lautkombinationen (statt „Krone“ – „Grone“, statt „Karte“ – „Kachte“).
Förderung älterer Schüler
Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Beginn einer Förderung?
Je früher desto besser, aber es ist nie zu spät anzufangen. Besonders ältere Schüler haben oft schon den Kopf in den Sand gesteckt und leben mit Abzügen in allen textproduktiven Fächern.
Da das Schulcurricular die Vermittlung von grundlegenden Strategien ab der 5. Klasse und den Gesamterwerb der Schriftsprache in der 6. Klasse als abgeschlossen ansieht, wird danach eine angemessene Rechtschreibung vorausgesetzt und nicht mehr angemessen wiederholt und ausreichend vertieft.
Es ist jedoch nie zu spät! Gerade ältere Schüler besitzen die intellektuellen Fähigkeiten Rechtsschreibstrategien anzuwenden, und so zu einem späteren Zeitpunkt Einsichten in die Orthographie des Deutschen zu erlangen und umzusetzen.